Architektonische und energetische Neudefinition eines Augsburger Kulturdenkmals

Projektbeschreibung
Bachelorarbeit Anita Dirmeier, WS 2012-13
Betreuung: Prof. Dr. Joachim MĂŒller, Prof. Michael Schmidt
Aus der Aufgabenstellung:
"... Im Rahmen der Bachelor-Arbeiten soll untersucht werden, in welcher Weise das derzeit ungenutzte GebĂ€ude der âNachtstallungenâ auf dem GelĂ€nde des Augsburger Schlacht- und Viehhofs in eine heutige Nutzung ĂŒberfĂŒhrt sowie architektonisch und energetisch neu definiert werden kann.
Vorgesehen ist hierbei, unterschiedene Nutzungen zu integrieren, die separat voneinander funktionieren, jedoch Synergieeffekte erzeugen. So soll ein neuer Veranstaltungsbereich mit groĂem Saal der ErgĂ€nzung der gegenĂŒberliegenden KĂ€lberhalle und auswĂ€rtigen Veranstaltungen dienen. Eine Materialagentur nutzt das Zusammenspiel von Bestand und neuen baulichen ErgĂ€nzungen, um das Thema der MaterialitĂ€t in der Architektur am konkreten Beispiel sowie in Ausstellungen, Beratungen und Workshop-Bereichen erproben zu können. Eine Werbeagentur und drei Appartements ergĂ€nzen den Nutzungsmix.
Hierzu muss das GebĂ€ude aus- und umgebaut werden. Eingriffe in den Bestand sind unverzichtbar alleine schon, um bei der groĂen GebĂ€udetiefe von 20 m gute TageslichtverhĂ€ltnisse im Inneren zu schaffen. Es ergibt sich ein faszinierendes Spiel von Alt und Neu. Wieviel Eingriff ist notwendig? Wieviel VerĂ€nderung vertrĂ€glich? Welches Gesicht bekommt die heutige ErgĂ€nzung und - nicht zuletzt: Wie kann das energetische Konzept integraler Bestandteil dieser Erneuerung werden?"

ErlÀuterung des Entwurfs (Anita Darmeier):
Analyse des Bestands: Augsburger Industriekultur
Die noch heute erhaltenen GebĂ€ude des Schlacht- und Viehhofs zwischen Proviantbach und Berliner Allee gehören zu den groĂen und beeindruckenden Zeugnissen der Industriekultur Augsburgs. Geplant von Stadtbaurat Fritz SteinhĂ€uĂer und dem Architekten Gotthelf Stein wurden sie im Jahr 19000 in Betrieb genommen, nachdem die bisherigen GebĂ€ude in der Innenstadt - darunter die von Elias Holl errichtete Stadtmetzg - keine ausreichenden ErweiterungsflĂ€chen boten. Zu ihrer Zeit galten die neuen Anlagen als die modernsten im deutschen Reich und nahmen mit ihren drei Teilen der AllgemeingebĂ€ude, der GebĂ€ude der Stallungen (Viehhof) und der Schlachthallen (Schlachthof) mit NebengebĂ€uden eine FlĂ€che von mehr als 60.000 m2 ein.
Nach zahlreichen Umbauten, KriegsschĂ€den und der Verkleinerung des Schlachtbetriebs sind von den ursprĂŒnglich 37 GebĂ€uden nur noch wenige erhalten, darunter die imposante "KĂ€lberhalle", seit 2011 saniert mit Brauereibetrieb und Gastronomie. Entlang der Johannes-Haag-StraĂe dienten die "Nachtstallungen" als Quartier fĂŒr das GroĂvieh. Im Krieg wurden weite Teile des ursprĂŒnglichen Satteldachs ĂŒber dem als Futterboden genutzten OG sowie die oberen AuĂenwĂ€nde weitgehend zerstört. In der spĂ€teren Zwischennutzung wurden zudem die Fassaden durch die VergröĂerungen der Ăffnungen ĂŒberformt.
Trotz dieser VerĂ€nderungen ist der ursprĂŒngliche Charakter des GebĂ€udes mit seinen reich gegliederten Klinkerfassade und den imposanten Abmessungen von fast 60 m LĂ€nge und 20 m Breite noch erkennbar.

Entwurfsansatz: Differenzierte ErgÀnzung des Bestands
Ausgehend von einer Bewertung des Bestands hinsichtlich Probleme und Chancen wird eine differenzierte Erweiterung als architektonische und energetische Neudefinition vorgeschlagen - ein Update "Nachtstallungen 2.0".
Nutzungsbezogen wird ein Veranstaltungsbereich mit Saal und BesprechungsrĂ€umen, eine Materialagentur mit Ausstelllung, Beratung, Verwaltung und Werkstattbereich, BĂŒroflĂ€chen einer Werbeagentur sowie mehrere Appartments fĂŒr Wohnen auf Zeit integriert.
Baulich drĂŒckt sich dies aus in einer ErgĂ€nzung der Tragstruktur und WĂ€nden im Erdgeschoss, Ăffnen einzelner Bereiche der Kappendecke zur LichtfĂŒhrung und vertikalen Verbindung, der teilweisen ErtĂŒchtigung der Zwischendecke, dem Neuaufbau der Obergeschoss-WĂ€nde und des Dachtragwerks (rĂ€umliches Fachwerk) sowie einer ErgĂ€nzung des Bestands durch eine mehrschichtigen GebĂ€udehĂŒlle.


Wesentliches Element der Neudefinition ist das EinrĂŒcken der thermischen GebĂ€udehĂŒlle gegenĂŒber den BestandswĂ€nden, die auf diese Weise in ihrer auĂen- wie innenseitigen Erscheinung und Konstruktion erhalten werden können. Durch den entstehenden zweigeschossigen Lichtraum ist trotz der enormen GebĂ€udetiefe eine natĂŒrliche TageslichtfĂŒhrung auch im Erdgeschoss möglich, die ergĂ€nzt wird durch mehrere vertikale Lichthöfe im GebĂ€udeinneren. Durch die mehrschichtige AusfĂŒhrung der neuen Fassade im Obergeschoss mit inneren Verglasung, thermischer Pufferzone und Ă€uĂeren Fassade aus wetterfestem Stahl (Corten) ist eine differenzierte Anpassung der GebĂ€udehĂŒlle an unterschiedliche Bedingungen des AuĂenklimas möglich. Die Abbildung zeigt exemplarisch untersuchte Varianten der Ăffnung der inneren und Ă€uĂeren Fassade bei Wintertag / Winternacht / Sommertag / Sommernacht etc.



Die WĂ€rmeversorgung erfolgt ĂŒber den vorhandenen FernwĂ€rmeanschluss (fp =0,32), die WĂ€rmeĂŒbertragung ĂŒber eine FuĂbodenheizung. Die natĂŒrliche BelĂŒftung des GebĂ€udes wird ergĂ€nzt durch eine Zu- und Abluftanlage mit WĂ€rmerĂŒckgewinnung 85, Ab- und Zuluftleitungen werden im Pufferraum gefĂŒhrt. BĂŒro-, Wohnungs- und VeranstaltungsflĂ€chen werden zentral mit MischlĂŒftung versorgt. Photovoltaik-Module auf den DachflĂ€chen decken den Eigenbedarf des GebĂ€udes. Vor sommerlicher Ăberhitzung schĂŒtzt u.a. die Doppelfassade. Eine gute (Nacht-) LĂŒftung und sommerliche NachtauskĂŒhlung kann durch die Ăffnung des Atriums und der Fenster erreicht werden. Die deckenintegrierten LatentwĂ€rmespeicher-Strukturen aus PCM erhöhen die SpeicherkapazitĂ€t und gewĂŒnschte thermische TrĂ€gheit des GebĂ€udes können durch die NachtlĂŒftung entladen werden, um am nĂ€chsten Tag wieder einsatzfĂ€hig zu sein. Mit einem spezifischen TransmissionswĂ€rmeverlust von HtÂŽ= 0.47 W/m2K wird eine AbwĂ€gung zwischen Bestandserhalt und maĂvollen Neuerungen getroffen und ein Effizienzhaus-70-Standard deutlich unterschritten.
Anita Darmeier
Abgabeleistungen:
- Analyse Bestand mit Identifikation und Bewertung Probleme und Chancen
- Architektonische Neudefinition als GebÀudeentwurf M 1:100 im stÀdtebaulichen Zusammenhang M 1:500
- Konkretisierung eines Vorschlages zur Neunutzung
- Materialkonzept mit Fokus auf nachhaltigen Materialeinsatz im Kontext des Bestandes
- Detaildarstellungen der relevanten Fassadenbereiche M 1:10
- Tageslichtkonzept aller Bereiche und sommerlicher WĂ€rmeschutz
- Energiekonzept mit Bevorzugung passiver Systeme und rechnerischen Nachweisen
- Technikkonzept





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